Vgl.: |
Zeichen (Beitrag von Lamiquiz, Vidal) / Syntagma / Paradigma / Metapher / Metonymie |
(lat. relatio = Zurückhaltung)
Beziehung zwischen den verschiedenen Sprachelementen; seit Saussure unterschieden nach 2 Arten:
1. syntagmatische Relation : Beziehung eines Elements zu Elementen seiner Umgebung (horizontale Betrachtung in der linearen Redekette);
2. paradigmatische Relation : Beziehungen eines Elements, die es ersetzen, die an seine Stelle im Kontext treten können und sich dort gegenseitig ausschließen (vertikale Betrachtung im Satz).
Schematische Darstellung eines Beispiels:
[Ulrich, Winfried, Linguistische Grundbegriffe , S. 98-99]
« Die Linguistik unterscheidet seit Ferdinand de Saussure die assoziativen (seit L. Hjelmslev: paradigmatischen) Beziehungen von den syntagmatischen (nach H. Frei: diskursiven). Die syntagmatische Beziehung der Sprachelemente ist die sich aus ihrer Reihung zum Satz ergebende; die paradigmatische besteht zu Wörtern, die mit dem gewählten Wort assoziiert werden können. Ein Literaturwissenschaftler zieht zur Veranschaulichung dieses Unterschieds ein Beispiel aus der Musik heran: Er vergleicht das Syntagma mit der Folge der Harmonien in einem Choral, das Paradigma mit sämtlichen Umkehrungen eines G-Dur-Akkords. Das Paradigma ist also nicht ein bestimmtes Vorbild, sondern eine Klasse von irgendwie äquivalenten Ausdrücken, aus denen einer ausgewählt wird. Das Syntagma ist die Kombination der ausgewählten Ausdrücken im zeitlichen Nacheinander der kompositorischen Struktur.
Dem grammatischen Begriff des Paradigmas ist auf der Stufe der Redekunst derjenige des Topos verwandt. In der Musik verschwimmen die Grenzen zwischen beiden Begriffen. [...] Seit Ernst Robert Curtius (1948) beschreibt die Literaturwissenschaft als «Topoi» die auf literarischer Ebene stehenden, inhaltlich bestimmten Motive, die seit der Antike immer wiederkehren. Auch hierfür gibt es in der Musikgeschichte Entsprechungen, nämlich Topoi wie die Chasse und das Pastorale oder wie den Typus des Marschduetts in der Großen Oper. Damit geht der Toposbegriff in den Genrebegriff über.
Paradigmatisches - in einem die Topoi und Genres einschließenden Sinne - findet sich somit in allen Schichten der Komposition: von den kleinsten Bauteilen (in der Sprache der Informationstheorie: «Elementarzeichen») bis zu großen Strukturen (oder «Superzeichen»), den Gattungen (Sinfonie, Oper, Messe usw.). Zusammen mit dem Syntagmatischen als dem Gefüge musikalischer Gedanken begründet es den sprachhaften Charakter der Musik. »
[Feder, Georg: Musikphilologie: eine Einführung in die musikalische Textkritik, Hermeneutik und Editionstechnik . Darmstadt: Wiss. Buchges., 1987, S. 6-7]
« Paradigmatische vs. Syntagmatische Beziehungen
Linguistische Grundrelationen, die die komplette Struktur des Sprachsystems beschreiben. P. B. zwischen sprachlichen Elementen sind durch Austauschbarkeit (vgl. Ersatzprobe) auf vertikaler Ebene definiert, z.B. bilden die Anlautkonsonanten in Bier, Tier, Gier eine paradigmatische Austauschklasse, ebenso wie die Ausdrücke heute, morgen, übermorgen in Er kommt heute / morgen / übermorgen . S. B. werden durch Kombinierbarkeit auf horizontaler (linearer) Achse definiert, vgl. die Beziehungen zwischen Er, kommt und heute . F. de Saussure [1916, S. 147ff.], nannte die (von L. Hjelmslev später umbenannten) P. B. " assoziative " B., da es sich um die Relation von Einzelelementen in bestimmten Umgebungen zu nur im Gedächtnis potentiell verfügbaren Austauschelementen handelt.
P. B. gründen sich auf Kriterien der Auswahl und Verteilung sprachlicher Elemente, sie sind z.B. die Basis der Gewinnung des Phoneminventars einer Sprache durch Bildung von Minimalpaaren, d.h. durch bedeutungsunterscheidenden Austausch verschiedener Laute bei sonst konstanter Umgebung. Paradigmatisch aufeinander bezogene Einheiten können zwar potentiell im selben Kontext vorkommen, sie schließen sich aber im aktuellen Kontext gegenseitig aus, d.h. sie stehen in Opposition zueinander.
Die Unterscheidung P. vs. S. B. ist für alle Beschreibungsebenen relevant; vgl. z.B. in der Semantik die (paradigmatischen) Semantischen Relationen (wie Synonymie, Antonymie) mit den syntagmatisch begründeten Verträglichkeitsbeziehungen zwischen Lexemen, den Selektionsbeschränkungen. »
[Bußmann, 555-556]
« Paradigmatische Beziehungen
Beziehungen zwischen Einheiten, die in ein und demselben Kontext auftreten können und sich in diesem Kontext gegenseitig ausschließen, die Oppositionen, z.B. Der Lehrer/der Schüler spricht; der grüne/blaue/rote Zaun; das Buch ist neu/alt/gut/schlecht; blau/flau - /b/ : /f/, rot/tot - /r/ : /t/; die Beziehungen zwischen kommutierenden Teilen. Eine Einheit x 1 steht mit einer Einheit x 2 in p. B., wenn x 1 und x 2 nicht in syntagmatischer Beziehung stehen können. Die für das System der Sprache besonders wichtigen p.B. lassen sich nur über die syntagmatischen Beziehungen erforschen d. h. über ihr Vorkommen in Texten.
Hjelmslev ersetzte mit dem Ausdruck ,paradigmatisch' Saussures Begriff ,assoziativ':
Um den Psychologismus des Cours F. de Saussures zu vermeiden, habe ich den Terminus ,rapport associatif' durch ,raport paradigmatique' ersetzt (Actes de 4. congrès internationale de linguistes - 1936, Kopenhagen 1938, S 140 Anm. 3).
Vgl. Paradigmatik, Assoziative Beziehungen, Paradigmatische Assoziationen, Syntagmatische Beziehungen, Syntagmatik. »
[Lewandowski, S. 467-468]
« Die syntagmatische Ebene betrifft die lineare Verkettung oder Aneinanderreihung von Zeichen zu Sätzen (Kombination von Zeichen). In ihr wird eine Beziehung zwischen den jeweiligen Gliedern ,in praesencia' hergestellt. Sie bildet die Achse der grammatikalischen Wortverknüpfung.
Die paradigmatische Ebene dagegen meint die Auswahl eines Zeichens aus der Vielzahl bedeutungsähnlicher Zeichen. Diese semantische Seite der Sprache beruht auf Assoziationsbeziehungen, deren Glieder sich ,in absentia' mit einer möglichen Gedächtnisreihe verbinden.
Der Phonologe R. Jakobson nimmt diese Polarität der Zeichenkette auf und betrachtet sie im Licht der Rhetorik bzw. Stilistik. Die syntagmatische Ebene, die den Mechanismen der Kombination und Kontextbildung gehorcht, scheint ihm für die Bildung der Metonymie , die in der prosaischen Sprache vorherrscht, zuständig zu sein. Diese stellt sich dadurch her, dass ein Zeichen mit einem anderen kombiniert wird. Dies kann durch eine Wort-für-Wort-Verknüpfung geschehen (z.B. ,Bonn' = ,Bundesregierung') oder auch dadurch, dass ein Teil für das Ganze steht (z.B. ,er sitzt' = ,er ist im Gefängnis'). Zwischen beiden Ausdrücken besteht eine Kontiguitätsbeziehung.
Auf der paradigmatischen Achse, die dem Prinzip der Selektion gehorcht, erkennt Jakobson jene Bildung, die die poetische Sprache auszeichnet: die Metapher . Diese entsteht dadurch, dass ein Wort stellvertretend für ein anderes , bedeutungsähnliches, stehen kann, wie wir es z.B. in dem Ausdruck Mimose (= empfindsamer Mensch) vorfinden. Weil die Substitution auf dem Prinzip der Ähnlichkeit beruht, spricht man auch von Similaritätsbeziehung.
Folgendes Schaubild mag dazu dienen, diese komplizierten Relationen besser zu verdeutlichen:
Was Lacan nun in dieser Struktur der signifikanten Kette aufdeckt, sind die Mechanismen des Unbewussten, die Freud bereits in der Traumdeutung als Verschiebung und Verdichtung beschrieben hat und deren Manifestationen uns in den Äußerungen des neurotischen Symptoms, in den Fehlleistungen und Versprechern, nicht zuletzt auch im Witz begegnen. Das linguistische Instrumentarium, das Freud zur sprachwissenschaftlichen Erfassung dieser unbewusst ablaufenden Prozesse noch fehlte, stellt in seiner Nachfolge Lacan bereit. Er sieht in der metonymischen ,Wort-für-Wort'-Verknüpfung die grundlegende Möglichkeit des Subjekts, in der Sprache etwas ganz anderes zu sagen, als das, was scheinbar zu Gebote steht. In jenem Gleiten der Bedeutung, das die Metonymie zeigt, erkennt er den Mechanismus der Verschiebung , in der Freud das hervorragende Mittel des Unbewussten sah, die Zensur zu überlisten und zwischen den Zeilen zu lesen. Die Verschiebung konstituiert sich also in jenen Bewegungen, die dem Verkettungs- und Kombinationsprinzip der Signifikanten gehorchen, wobei der Signifikant seine metonymische Funktion nur durch den Verweis auf einen anderen - latenten - Signifikanten erfüllen kann. Dieser bestimmt den Schluss der einen Kette, aber auch den Anfang einer anderen. Das Signifikat wird dabei durch die Zensur ausgesperrt.
,Ein-Wort-für-ein-anderes': das ist die Formel für die Metapher, deren Bedeutung daraus erwächst, dass sie einen Signifikanten durch einen anderen ersetzt. In dieser Struktur der Überlagerung von Signifikanten sieht Lacan die Freudsche Verdichtung am Werk. Hier wird der ursprüngliche Signifikant auf die Stufe des Signifikats verdrängt. Dort aber operiert er als latenter Signifikant weiter, und zwar sowohl im Bereich der Signifikate als auch durch seine bestimmte Abwesenheit im Bereich der Signifikantenkette.
Die Metapher bewirkt also einen Sinneffekt, indem sie verdrängt, versteckt, verstellt, wobei das Verdrängte latent präsent bleibt im Sinne einer abwesenden Anwesenheit. Damit wird die Metapher zum ausgezeichneten Moment der Beziehung zwischen bewusster und unbewusster Rede.
Vor dem Hintergrund dieser Sprachmechanismen mag nun deutlich werden, wieso Lacan seine zentrale These »Das Unbewusste ist strukturiert wie eine Sprache« vertreten kann, gelingt es ihm doch, in Auseinandersetzung mit der Linguistik nachzuweisen, dass die Gesetzmäßigkeiten und Regeln der Sprache auch in den Bereichen jenseits des Bewusstseins Geltung haben. Lacan kann nicht nur zeigen, dass die Struktur des Unbewussten einer ,symbolischen Ordnung' genügt, sondern er erhellt damit zugleich die wesentlichen Begriffe der Freudschen Metapsychologie.
Mit seiner Neuinterpretation des Unbewussten, das sprachförmig strukturiert und als solches den Möglichkeiten linguistischer Analyse zugänglich ist, verleiht Lacan nicht zuletzt der Psychoanalyse eine linguistisch fundierte wissenschaftliche Form. »
[Pagel, Gerda: Lacan zur Einführung . Hamburg: Ed. SOAK im Junius Verl., 1989, S. 47-50]