ein zusammenstoss: bühnenautor brecht mit filmregisseur lang:
eintragungen im arbeitsjournal brechts
29. 6. 42
... bemerkenswert ein term der immer wieder auftaucht wenn die logik eines
vorgangs oder fortgangs zu diskutieren wäre: "das akzeptiert das publikum" den mastermind der untergrundbewegung der sich hinter einem fenstervorhgang versteckt, wenn die gestapo haussuchung hält, akzeptiert das publikum. auch aus kleiderschränken fallende kommissarleichen. auch "geheime" volksversammlungen, zur zeit des neziterrors. derlei "kauft" lang interessant auch, dass er weit mehr an überraschungen interessiert ist als an spannunge.
20. 8. 42
... immer wieder staune ich über die primititvität des filmbaus. diese "technik" kommt mit einem erstaunlichen minimum an erfindung, intelligenz, humor und interesse aus. man klettert von situation zu situation und setzt beliebige figuren ein. es wird damit gerechnet, dass die schasuspieler nicht spielen und die zuschauer nicht denken können.
22. 10. 42
ich merke jetzt, daß diese arbeit am film mich fast krank gemacht hat. diese »überraschungen«, die darin bestehen, daß das unmögliche passiert, diese »spannungen«, die darin bestehen, daß dem publikum etwas verheimlicht wird, diese leiter der untergrundbewegung, die verwundet hinter fenstervorhängen stehen, wenn die gestapo haussuchung hält, diese empörten ausrufe: »warum soll ich den Satz dem arbeiter geben" dem ich 150 $ bezahle, wenn der professor daneben steht, dem ich 5 000 $ bezahle!«, diese effekte aus dem rosetheater anno 1880, diese ausbrüche verschmutzter phantasie, nach geld stinkender sentimentalität, tief sitzender triumphierender reaktion, wilden verbissenen ressentiments über die zumutungen, hier einen großen film zu machen, wo man auf teilung inszeniert... und dann verblurren die bilder wieder, die herauszuarbeiten so schwer gewesen ist, die charaktere verzerren sich wieder zu den alten typen, in die konstruktion werden dicke säulen eingebaut, die nichts tragen, das kluge wird dumm, das fortschrittliche rückschrittlich, das edle gemein, das gemeine anziehend. der besteller nimmt den pinsel und schmiert hinein, und niemand wird je sehen, wie das bild ausgesehen hat.
das individuum, das mehr und mehr sein ansehen (ist gleich: charakter) von der produktion zu gewinnen hat, geht hier durch eine böse phase, da die produktion eben gedrosselt und manipuliert ist. gewöhnt daran, meine würde zu nehmen von der würde der aufgabe, meine bedeutung von der bedeutung, die ich für die allgemeinheit habe, meine energie von den kräften, mit denen ich in berührung komme, wo bleibe ich, wenn die aufgabe unwürdig, die allgemeinheit depraviert ist und wenn in der umwelt keine energie sich sammeln kann?
12. 10. 43
rezept für erfolg im filmschreiben: man muss so gut schreiben, als man kann, und das muss eben schlecht genug sein.
[schebera:1985]
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